Über den didaktischen Umgang mit Gedichten – Teil 2

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Nun ist auch schon – prompt und flugs – die Antwort der Herausgeber des Praxisbuches gekommen. Hier also mein kleines Scherzgedichtlein mit den vorgeschlagenen Änderungen.

Knapp daneben

Ich bin der Ritter Hildebrand,
mein treues Schwert lehnt an der Mauer.

In bittrer Kälte, finster Nacht,
halt ich auf dieser Burg die Aufsicht.

Wagt sich ein wilder Feind hervor?
Klopft da ein böser Geist an die Tür?

Wer immer kommt, ich bin bereit
zum harten Kampf, zum edlen Gemetzel.

Ich bin fürwahr ein stolzer Ritter,
und wer mich angreift, büßt neckt, bereut es sauer!

Doch Kampf ist nicht mein einz’ges Streben,
der Dichtkunst widme ich mein Dasein.

Ich gieße fasse, was ich nachts erträume,
in schöne Worte, edle Verse,

und will darüber jemand lachen,
den werd ich grausam niederstrecken!

Und hier meine Antwort an die Herausgeber:

“Necken” bedeutet also dasselbe wie “angreifen”? Wie werden wir da in Zukunft Angriffskriege bezeichnen? Als “Neck-Kriege”?

“Bereuen” bedeutet dasselbe wie “büßen”? Wieviele Ketzer mussten für ihre Ansichten büßen, haben aber nicht bereut?

“In Verse fassen” bedeutet dasselbe wie “In Verse gießen”? Ein Stein wird in Gold gefasst, aber das Gold wird in eine Form gegossen.

Ich bin so pingelig, nicht weil mein Text so unantastbar ist, sondern weil Sie mit ihrem Buch die Kinder anscheinend an die Dichtkunst heranführen wollen. Wenn Sie aber so mit Gedichten umgehen, und seien es auch nur Scherzgedichte eines Kinderbuchautors, dann kommen mir große Zweifel, ob ein solches Buch seinen Zweck gut erfüllen kann. Denn in der Dichtkunst kommt es viel weniger als auf korrekte Reime auf das richtige Gespür für den Sinn der Wörter an.

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