Finau und das Geld

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William Mariner war ein englischer Matrose, der im Jahr 1805 bei der Südseeinsel Tonga Schiffbruch erlitt und lange Zeit dort lebte. Er hat seine Geschichte einem Schriftsteller namens John Martin erzählt.

Ein Tonganischer Häuptling hat mit seiner Frau die englische Kolonie Botany Bay besucht. Häuptling Finau, der Gastgeber William Mariners, unterhält sich mit ihm.

Zunächst war ihr Leben so schwierig, dass sie wünschten zu sterben. Alle Häuser waren ihnen verschlossen. Wenn sie jemanden essen sahen, wurden sie nicht eingeladen mitzuessen. Nichts konnten sie ohne Geld bekommen, dessen Wert sie nicht verstehen konnten, und auch nicht, wie man dieses Geld bekommen könnte. Wenn sie darum baten, gab ihnen niemand welches, außer, sie arbeiteten dafür, und dann war es so wenig, dass sie nicht ein Zehntel dessen bekommen konnten, was sie wollten. Eines Tages, als er spazieren ging, bemerkte der Häuptling einen Imbissladen. Und da er sah, dass viele Leute hineingingen und mit Lebensmitteln wieder herauskamen, war er sicher, dass dort Essen verteilt würde, wie es der alte Tonga-Brauch war. Und er ging hinein, froh über die Gelegenheit, und erwartete, dass er etwas Schweinefleisch bekommen würde. Nachdem er eine Zeitlang ängstlich gewartet hatte, dass er seinen Anteil bekommen würde, fragte der Geschäftsinhaber ihn, was er wollte, und warf ihn, da er eine unverständliche Antwort bekam, geradewegs hinaus, weil er ihn für einen Dieb hielt, der nur auf eine Gelegenheit zum Stehlen wartete. So, sagte er, beschützte ihn nicht einmal seine Häuptlingswürde vor schlechter Behandlung, denn, wenn er den Leuten sagte, dass er ein Häuptling sein, gaben sie ihm zu verstehen, dass Geld einen Mann zum Häuptling mache. Nach einiger Zeit jedoch, musste er zugeben, wurde er besser behandelt, je mehr er mit den Sitten und der Sprache vertraut wurde. Er drückte sein Erstaunen aus über die Ausdauer, mit der die weißen Leute von Morgens bis Abends arbeiteten, um Geld zu bekommen: er konnte nicht verstehen, wie sie soviel Mühe ertragen konnten.
Nachdem er diesen Bericht gehört hatte, stellte Finau mehrere Fragen über die Natur des Geldes: woraus war es gemacht? War es wie Eisen? Konnte man es, wie Eisen, zu verschiedenen nützlichen Gegenständen verarbeiten? Wenn nicht, warum konnten die Leute das, was sie benötigten, nicht durch Tausch bekommen? Und wo konnte man Geld bekommen? Wenn es gemacht wurde, dann sollte doch jedermann seine Zeit damit verbringen, Geld zu machen. Dann, wenn er viel hatte, könnte er nachher alles bekommen, was er wollte. Als Antwort darauf erklärte Mr. Mariner, dass das Material, aus dem das Geld gemacht wurde, sehr selten und schwer zu bekommen war, und dass nur Häuptlinge und große Männer über eine große Menge davon verfügen konnten. Und dies vor allem dadurch, dass sie Erben von Pflanzungen oder Häusern seien, welche sie anderen überlassen würden, dafür, dass die ihnen einen bestimmten Tribut an Geld zahlten. Oder durch öffentlichen Dienst. Oder, indem sie kleine Summen Geldes für Dinge zahlten, wenn sie reichlich vorhanden waren, und später, wenn daran Mangel war, sie anderen für eine größere Summe überließen. Und was die niedrigeren Klassen von Menschen betraf: die arbeiteten hart, und wurden von ihren Dienstgebern mit kleinen Mengen Geldes bezahlt, als Belohnung für ihre Arbeit. Und weiters, dass der König die einzige Person war, die Geld machen durfte, und dass er seinen Stempel auf alles Geld, das er machte, drückte, damit man wusste, dass es echt sei. Dass niemand so einfach das Material, aus dem Geld gemacht wurde, bekommen konnte, ohne Geld dafür zu zahlen. Und selbst wenn er entgegen dem Tabu des Königs, aus diesem Material Geld machte, würde er nicht soviel daraus machen können, wie er bezahlt hatte. Mr. Mariner wollte nun die Bequemlichkeit Geldes als Mittel für den Austausch erklären, als Filimóêátu ihn unterbrach, und zu Finau sagte: Ich verstehe, wie es ist. Geld ist weniger sperrig als Güter, und es ist sehr praktisch, wenn ein Mann seine Güter gegen Geld eintauscht. Welches er dann zu einer anderen Zeit gegen dieselben oder andere Güter eintauschen könnte. Während die Güter ja sonst verdorben wären, aber das Geld, nehme er an, verdarb nicht. Und obwohl es selbst keinen wirklichen Wert hatte, glaubten die Leute, dass es wertvoll sei, weil es selten und schwer zu bekommen war ohne, dass man etwas Nützliches dafür hergab. Und wenn jedermann es als wertvoll ansah, und bereitwillig Güter dafür hergab, dann war es für jeden genauso, als ob es wirklich wertvoll wäre, solange die Nachbarn bereit waren, es auch so zu nehmen. Mr. Mariner fand, dass er keine bessere Erklärung geben konnte, und deswegen sagte er Filimóêátu, dass seine Auffassung vom Geld richtig war.
Nach einer längeren Pause antwortete Finau, dass ihn diese Antwort nicht befriedigte: er dachte immer noch, dass es dumm sei, dass die Leute dem Geld einen Wert beimaßen, wenn sie es nicht für einen nützlichen Zweck verwenden konnten oder wollten. “Wenn es aus Eisen wäre”, sagte er, “und man daraus Messer, Äxte und Meißel machen könnte, dann hätte es einen Sinn, ihm Wert beizumessen. Aber so konnte er keinen Sinn sehen: wenn ein Mann mehr Yams hat, als er braucht, dann soll er doch etwas davon gegen Schweinefleisch oder Bast eintauschen. Sicher war Geld handlicher und bequemer, aber, da es nicht verdarb, würden die Leute es aufspeichern, anstatt es auszuteilen, wie das ein Häuptling tun sollte, und würden selbstsüchtig werden. Aber wenn Nahrungsvorräte das wichtigste Besitztum eines Mannes wären – und das sollten sie auch sein, weil Nahrung das Nützlichste und das Nötigste ist – dann konnte er sie nicht aufspeichern, weil sie verderben würden, und so musste er sie entweder gegen etwas Nützliches eintauschen, oder sie umsonst austeilen an seine Nachbarn, Unterhäuptlinge und sonstigen Untergebenen.” Er schloss, indem er sagte: “Ich weiß jetzt sehr gut, was den Papalangi so selbstsüchtig macht: Es ist das Geld.”

Aus: Tonga Islands: William Mariner’s account : an account of the natives of the Tonga Islands in the South Pacific Ocean, with an original grammar and vocabulary of their language. Vava’u Press; 4th ed., 1981. ASIN B0006EB4WI

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