Am Montag Vormittag putzt Frau Jovanovic immer bei Frau Berger.
„Schauen Sie, Frau Jovanovic“, ruft Frau Berger, „schauen Sie, was der Marcel wieder angestellt hat! Da hat er seinen Kaugummi verloren und ist auch noch draufgetreten, jetzt klebt alles im Teppichboden! Ich weiß nicht, was ich mit den Kindern anstellen soll! Und der André hat irgendwas in die Spüle geschmissen und jetzt ist sie verstopft!“ Und sie rennt ins Kinderzimmer, weil die kleine Amelie gefüttert werden muss.
„Ich das machen“, sagt Frau Jovanovic. Frau Jovanovic holt Eiswürfel aus dem Kühlschrank und tut sie in einen Plastikbeutel. Den Plastikbeutel legt sie auf den Kaugummifleck. Der Kaugummi muss erst einmal ganz kalt werden. Die Kinder schauen gespannt zu. Dann schüttet Frau Jovanovic Backpulver in den Abfluss und gießt Essig drauf. Das sprudelt und zischt und aus dem Abfluss schießt Schaum heraus wie aus einem kleinen Vulkan. Frau Jovanovic pumpt kräftig mit der Saugglocke und der Abfluss ist wieder frei.
„Kommen!“ sagt sie zu Marcel und André. Der Kaugummi ist von dem Eis ganz hart geworden und zu dritt zupfen sie ihn in kleinen Bröseln aus den Teppichfasern. Den Rest weicht Frau Jovanovic mit Vaseline auf. Jetzt ist nur mehr ein kleiner rosa Fleck da, den reibt sie mit Fleckputzmittel heraus.
„Danke“, sagt Frau Berger, „ohne Sie wäre ich vollkommen aufgeschmissen!“, und setzt sich an ihren Computer.
Frau Jovanovic gibt Marcel einen Staubwedel und André ein Wischtuch und dann machen sie gemeinsam sauber.
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Monat: Juni 2007
Sterne
Ich weiß nicht, ist es die Luftfeuchtigkeit oder habe ich nur nie richtig aufgepasst: Heute habe ich das erste Mal einen Stern gesehen, der nicht bloß so ein Lichtpunkt am Himmel war, sondern so richtige Zacken gehabt hat, funkelnde Strahlen. Ich habe das immer für eine Übertreibung der Maler gehalten. Muss man so alt werden, um solche Dinge zu bemerken?
Der grindige Sepp
Manchmal, wenn man auf einer Wanderung durch die österreichischen Alpen Rast macht, nähert sich einem ein schüchterner Mann mit Bergschuhen und Rucksack, und einem seltsamen Overall angetan, einer Art Wanderpyjama, und erkundigt sich nach dem Weg. In der Hand hält er ein Tourenbuch, und er fragt immer nach den Namen der umliegenden Gipfel, und ob dort und dort auch ein Gipfelbuch ist und ob’s da einen Stempel gibt. Und dann erzählt er einem, daß er alle Österreichischen Weitwanderwege „macht“, vom 01er bis zum 08er. Jedes Wochenende und jeden Feiertag fährt er dorthin, wo er zuletzt aufgehört hat, und wandert weiter und drückt alle Kontrollstempel in sein Tourenbuch. Im Sommer, wenn er Urlaub hat, macht er natürlich längere Strecken, aber hin und wieder muß er halt doch unterbrechen, weil er muß ja Proviant kaufen „und waschen muß man sich ja auch hin und wieder“. Dann erkundigt er sich noch einmal nach den Gipfelstempeln, und zieht weiter seines Weges.
Der einsame Wandersmann mit seinem Tourenbuch ist der Grindige Sepp, und die Geschichte, die er einem erzählt, stimmt nur halb. In Wahrheit steht er unter einem Fluch.
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Innternet-Kunst: Versteht Google Kafka?
Wer hat das wohl gedichtet:
Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
fest steht und treu die Wacht am Rhein.
Hansi Hinterseer in Tirol
vom 31.5.07 bis 5.6.07 im Stubaital
beim Großen Stubaier Musikzauber
oder das:
Peitschen Shop
Lederpeitschen, Bullenpeitschen,
Reitgerten, Rohrstock, Flogger
Da ging nun das kleine Mädchen auf den nackten, zierlichen Füßchen, die vor Kälte ganz rot und blau waren. In ihrer alten Schürze trug sie eine Menge Schwefelhölzer und ein Bund hielt sie in der Hand. Während des ganzen Tages hatte ihr niemand etwas abgekauft, niemand ein Almosen gereicht.
Strafe auf Nackten
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Ich hab mir ein Internetkunstprojekt ausgedacht und programmiert, es heißt type egg or loo (Ist ein Anagramm und heißt was wohl?)
Alle sind eingeladen mitzumachen. Es geht darum, Gedichte oder andere Texte auf die Seite zu laden und dann die Inserate, die die große künstliche Intelligenz dazu stellt, laut mitzulesen.
Was hat Literatur mit der wirklichen Welt zu tun? Was hat Literatur mit den wirklichen Bedürfnissen ihrer Leser und Leserinnen zu tun?
Warum nicht die Große künstliche Intelligenz, die das Internet mit Inseraten zupflastert, auch als Oleg Og oder Ego-Log bekannt, befragen und von ihrer hochverfeinerten Technologie Ed’s Nase Gebrauch machen?
Die Große künstliche Intelligenz, die das Internet mit Inseraten zupflastert, auch als Oleg Og oder Ego-Log bekannt, „liefert relevante Anzeigen und Image-Anzeigen, die genau auf die jeweiligen Seiten und den Content Ihrer Site ausgerichtet sind … Da die Anzeigen im Zusammenhang mit Inhalten stehen, die Ihre Besucher auf Ihren Seiten suchen — oder den Charakteristiken und Interessen der Besucher, die Ihr Content anzieht, angepasst sind … Ed’s Nase ist in der Lage, relevante Anzeigen zu liefern, weil Ego-Log die inhaltliche Bedeutung einer Webseite versteht. Wir verfeinern diese Technologie kontinuierlich – So können zum Beispiel Wörter je nach ihrem Kontext verschiedene Bedeutungen haben …Die Ego-Log-Technologie erkennt die feinen Unterschiede…“
Was fällt also der Großen Künstlichen Intelligenz zu Goethe ein? Was sind die Charakteristiken und Interessen von Menschen, die Kafka lesen? Oder möchtet ihr ein eigenes Werk auf den Prüfstand schicken und herausfinden wonach eure Leser wirklich suchen?
Machen wir Gebrauch vom Großen Internet-Roboter. Finden wir heraus, worum es bei Dichtung wirklich geht. Lassen wir die Pay-Per-Click Einschaltungen ein Schlaglicht auf den wahren Wert der unbezahlbaren Werke der Weltliteratur werfen. Sei dabei, hab Spaß und gewinn!
Hier geht’s lang:
type egg or loo!
Das Riesending
Ein Bauer stieg einmal ins Gebirge hinauf und begegnete dort einem Riesen. Und weil der Riese, wie Riesen das tun, nackt ging, sah der Bauer das mächtige Glied des Riesen und seufzte unwillkürlich auf: „Ach, wenn ich nur auch so eines hätte!“
Der Riese war ein freundlicher Riese und sagte zu dem Bauern: „Wenn es nur das ist – wir können tauschen!“
Der Bauer stimmte hoch erfreut zu, und – man weiß nicht, durch welchen Zauber es möglich wurde, allein: sie tauschten.
„Das Riesending“ weiterlesen
Kinder, lernt lesen!
Kinder, übt euch im Lesen: Da draußen gibt es so vieles zu erfahren, wenn man nur das ABC kennt und die Buchstaben zu Wörtern und Sätzen zusammensetzen kann: Werbeplakate, Traumbücher, Wahlpropaganda, Schlankheitsdiäten, Gebrauchsanleitungen für elektrische Eierkocher, die Rückseite von Cornflakes-Packungen, Söldner-Magazine, Bauanleitungen für Molotov-Cocktails, die geheimen Schönheitsrezepte der Stars, Hausordnungen, Hofberichterstattung, Lottoscheine, Wrestling-Magazine, In- und Outlisten, Kreuzworträtsel-Lexika, Horoskope, Berichte über UFO-Sichtungen, Beweise, dass Nostradamus es vorher gewusst hat, Arztromane, Inserate für Busenwachstumscremen, die Sorgen der Königinmutter, Berichte über Traumhochzeiten, Verordnungen, Erlässe, Eidesformeln, Sündenregister, Regelwerke, garantiert wirksame Gebete, Bauanleitungen für Atombomben, Überraschungen und Neugkeiten aus der Promi-Szene, Gewinn-Fragen, Psycho-Tests, Einladungen zu Einkaufsfahrten, Gutscheine für Gratisgeschenke, Katzenfutter-Kataloge, Glückwunsch-Sie-haben-gewonnen-Briefe, Verschwörungstheorien, Anleitungen zum Reichwerden, Rezepte für ewige Jugend, Intelligenztest-Trainer, Glückskekse, Bestsellerlisten, Zigarettenwerbung, Hetzschriften, Lobeshymnen, Kriegstagebücher, Prominenten-Kochrezepte, Prominenten-Fitnesstraining, Prominenten-Tipps für die Liebe, Prominenten-Tipps für die Gesundheit, Pominenten-Fastenkuren, Mord und Totschlag im Prominentenmilieu, Prominenten-Horoskope, Prominenten-Scheidungstipps, die Karriere-Tricks der Prominenten, Prominente ohne Maske, Stars ohne Maske, das Buch zum Film, Postwurfsendungen, Gratiszeitungen, Kettenbriefe, erlebte Schicksale, echte Kriminalfälle, linke Propaganda, rechte Propaganda, liberales Geschwätz, Gräuelpropaganda, Enthüllungen, ewige Wahrheiten, Heilslehren, Pamphlete, Traktate, Anwendungsrichtlinien für Internet-Content-Filter und die allzeit beliebte Inschrift: „Wer das liest, ist doof!“
Von der Schwierigkeit, heute noch Geschichten zu erzählen
Herr Wilhelm S. ist Werkmeister in einem Zweigbetrieb eines internationalen Automobilbedarfs-Konzerns. Um seinen Lebensabend zu sichern und seinen Kindern etwas vererben zu können, schließt Herr S. eine Ab- und Erlebensversicherung ab. Natürlich entscheidet er sich für den Versicherungsvertrag, der ihm die höchste Rendite verspricht. Die Versicherungsgesellschaft legt das Geld des Herrn S., soweit sie es nicht in festverzinslichen Papieren binden muss, in Wertpapierfonds an. Natürlich wählt sie die Fonds, die ihr die höchste Rendite bieten. Die Fondsverwalter legen das Geld der Versicherungen in Aktien an. Natürlich wählen sie die Aktien, die den höchsten Wertzuwachs versprechen. Ein Konkurrenzunternehmen des Konzerns, für den Herr S. arbeitet, erzielt mit einer neuen Produktionsmethode Kosteneinsparungen. Darauf steigt der Kurs seiner Aktien. Entsprechend sinkt der Kurs der Aktien des Konzerns, für den Herr S. arbeitet. Dadurch wird es für den Konzern schwieriger, zu günstigen Bankkrediten zu kommen. Um den Kurs seiner Aktien wieder zu steigern, beschließt die Konzernleitung, ein Zeichen zu setzen. An mehreren Produktionsstandorten wird die Produktion gestrafft und Personal eingespart. Zusammen mit 500 anderen Kollegen erhält Herr S. die Kündigung. Der Aktienkurs steigt wie erwartet. Die Fondsverwalter legen das Geld ihrer Kunden wieder in Aktien dieses Konzerns an. Am Jahresende erhält Herr S. einen Brief seiner Versicherung, in dem ihm stolz die Höhe seiner diesjährigen Gewinnbeteiligung mitgeteilt wird.
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