Das finde ich schon nett, dass man, wenn man bei der Wiener Polizeidirektion in der Warteschleife hängt, mit Walzermusik unterhalten wird. Es hätte ja auch der Gefangenenchor aus Nabucco sein können …
Monat: November 2007
Creative Reading in Beirut
Vom 10. bis zum 18. November 2007 war ich auf Einladung des Goethe-Instituts in Beirut und habe an dem Projekt Creative Reading teilgenommen.
Unter anderem habe ich gemeinsam mit einer libanesischen Kollegin mit acht- bis neunjährigen Kindern einer öffentlichen Schule ein Buch über Gefühle gemacht und mit StudentInnen des Goethe-Instituts Beirut eine Internet-Schreibwerkstatt.
Einige Einblicke in diese Arbeit gibt es auf creative-reading.froozle.org.
Der Lichtschalter
Der Lichtschalter wurde Mitte des 13. Jahrhunderts in Flandern erfunden und verbreitete sich von da aus bald über ganz Europa. Vor der Erfindung des Lichtschalters musste man die Glühlampe vorm Schlafengehen mittels eines Steins auswerfen, weswegen nur wohlhabende Leute sich solche leisten konnten. Die ärmere Bevölkerung musste mit Talglichtern und Kienspänen vorlieb nehmen.
Der Vergaser
Der scheußlichste Monat von allen:
Das Gedicht
Es war einmal ein Kind, das schrieb, kaum dass es Lesen und Schreiben gelernt hatte, auf einen Zettel den Satz: Es gibt Blumen. Dann ging es zu seiner Mutter hin, gab ihr den Zettel und sagte: „Schau, ich hab ein Gedicht geschrieben!“
Die Mutter sah den Zettel gerührt an und sagte: „Oh, ein schönes Gedicht!“ und befestigte den Zettel mit Klebestreifen am Küchenschrank. Und als der Vater heimkam, zeigte sie ihm den Zettel und sagte: „Schau, unser Kind hat ein Gedicht geschrieben!“ Und der Vater besah den Zettel, lächelte und sagte: „Oh, ein schönes Gedicht!“ und strich seinem Kind gerührt über die Haare. Und wenn Besuch kam, wurde ihnen der Zettel gezeigt und alle lächelten gerührt und sagten: „Oh, ein schönes Gedicht!“ und strichen dem Kind über die Haare oder schenkten ihm eine Süßigkeit, die sie mitgebracht hatten.
Die Zeit verging und das Kind wurde größer. Es besuchte das Gymnasium und die Universität, studierte zunächst Medizin und dann Philologie und Theaterwissenschaften, brach schließlich alle Studien ab und ging als Entwicklungshelfer in das ärmste Land der Welt. Von dort schickte der junge Mann, der es nun war, Berichte und Erzählungen an die Zeitungen zu Hause, die auch gedruckt wurden. Der junge Mann bereiste viele Länder, sprach mit vielen Menschen, engagierte sich für gute und wichtige Anliegen, und schrieb Erzählungen, Romane und Gedichte, Theaterstücke und Filmdrehbücher, die in großer Zahl veröffentlicht, aufgeführt und verfilmt wurden und viele Menschen beeindruckten. Er wurde älter und er wurde alt. Schließlich schrieb er das Werk, von dem er dachte, dass es wohl sein letztes sein könnte. Er ließ es drucken und binden und kündigte an, bei einer öffentlichen Veranstaltung daraus vorlesen zu wollen. Viele kamen, um den Dichter zu sehen. Im letzten Moment musste noch, wegen der vielen Vorbestellungen, eine größere Halle angemietet werden. Der Dichter trat auf die Bühne, schon etwas langsam und tastend, aber immer noch aufrecht. Er hielt das Buch in der Hand. Es war ein dünner Band in einem schönen, schlichten Einband, und enthielt außer den notwendigen Seiten mit dem Impressum des Verlags und dem Titel und dem Namen des Autors nur ein einziges Blatt, auf dem stand: Es gibt Blumen. Der Dichter las es vor, und alle, die ihn gehört hatten, fühlten und wussten so klar und so tief wie ein Geheimnis, das sich ihnen eröffnet hatte:
Es gibt Blumen.