Mich erreichte die folgende Email:
Betreff: Der wortgewandte Elefant
Sehr geehrter Herr Auer,
ich schreibe Sie an, weil mein Kind das o. g. Gedicht in der Schule als Thema durchnimmt. Es geht jetzt darum, welches Reimschema vorkommt. Wir sind uns da nicht so einig und würden uns über eine schnelle Antwort sehr freuen!
Viele Grüße
Das Gedicht ist unter anderem auf lyrikline zu finden.
Darauf verfasste ich die folgende Antwort:
Die Frage nach dem Reimschema hat mich zunächst zum Lachen gebracht. Denn als ich das Gedicht schrieb, dachte ich nicht an ein Schema, sondern fand es einfach lustig, so viele Reime auf Elefanten unterzubringen wie möglich. Natürlich wollte ich auch eine Geschichte erzählen und nicht einfach ein Unsinnsgedicht schreiben (manchmal tue ich auch das ganz gerne). Doch die Idee zur Geschichte ist, glaube ich – und es ist ja schon ziemlich lange her – aus den Reimwörtern gekommen.
Aber die Reime haben doch, im Nachhinein gesehen, auch eine Funktion für die Geschichte. Zuerst wird von den kriegslüsternen Elefanten erzählt. Alle Zeilen reimen sich auf Elefanten (a). Doch dann kommt eine Unterbrechung. Ein einziger Elefant will nicht mitmachen. Und das wird auch durch die neuen Reime ausgedrückt: einer, kleiner, Heiner (b). Der Dialog zwischen Heiner und den anderen wird hauptsächlich mit Reimen auf ein (c) geführt, und diese Reime führen zu dem wichtigen Wort Nein. Dann kommt die Begründung für das Nein mit d und e. Und jetzt wird davon erzählt, wie die Elefanten ihre Haltung ändern, und das wird wieder mit denselben Reimen wie am Anfang erzählt, also a. Aber dann kommt noch einmal ein Schwenk: Die ganze Geschichte wird in Frage gestellt: Geht das wirklich so einfach? Kann einer allein nur mit überzeugenden Argumenten einen Krieg abwenden? Wahrscheinlich nicht. Aber man muss es doch versuchen. Und dieser neue Gedanke wird wieder mit neuen Reimen dargestellt, Sachen, Lachen, machen (f).
Es geht mir oft so: Hinterher kann ich ganz gut erklären, wie ein bestimmter Text funktioniert, warum er so und nicht anders geschrieben wurde. Aber während des Schreibens denke ich über diese „technische“ Seite des Textes nicht nach. Ich horche innerlich auf den Klang der Wörter, Sätze und Zeilen und ändere und feile so lange, bis es mir einfach gefällt, bis ich das Gefühl habe, dass es so richtig ist.
Und wenn dann ein Text in einem Schulbuch steht und ich nach Dingen wie dem Reimschema gefragt werde, dann bin ich zunächst einmal etwas erstaunt. Genügt es denn nicht, einen interessanten Text zu lesen? Muss man ihn auch zerpflücken? Versteht man ihn dann wirklich besser? Ich weiß es nicht.
Herzlichst
Martin Auer
Als die Elefanten | a |
sich einmal verrannten | a |
und in Zorn entbrannten | a |
gegen ihre Verwandten; | a |
als sie Onkel und Tanten | a |
vor Wut nicht mehr kannten, | a |
sie Verräter nannten | a |
und Intriganten; | a |
als die Elefanten | a |
Kriegserklärungen sandten, | a |
Kommandanten ernannten | a |
und Adjutanten, | a |
die den Angriff planten; | a |
als sie ihre Verwandten | a |
aus dem Lande verbannten, | a |
ihre Fahne verbrannten, | a |
ihre Häuser umrannten – | a |
da sagte einer | b |
(und zwar ein kleiner | b |
mit Namen Heiner): | b |
„He, ich find das nicht fein | c |
sondern ziemlich gemein | c |
und fies obendrein!“ | c |
Die andern sagten: / „Was soll das sein? | c |
Du bist viel zu klein | c |
um so rumzuschrei’n, | c |
lass die Kinderei’n | c |
und misch dich nicht ein!“ | c |
Doch der Kleine sprach: „Nein! | c |
Weil ich genauso sterben kann, | d |
geht mich der Krieg genauso an. | d |
Ich brauch nicht die Häuser von meinen Kusinen | e |
ich will viel lieber spielen mit ihnen.“ | e |
Und er redete, bis die Elefanten | a |
sich wieder entspannten, | a |
ihren Fehler erkannten | a |
und ihren Verwandten | a |
mit charmanten | a |
und galanten | a |
Entschuldigungen Geschenke sandten | a |
die überreicht wurden von Musikanten | a |
und Komödianten; | a |
so dass Onkel und Tanten | a |
und alle Elefanten- | a |
Verwandten | a |
sich mit toleranten | a |
und kulanten | a |
Worten zum Frieden bekannten, | a |
ihre Waffen verbrannten | a |
und sich ab nun nur mehr amüsanten | a |
und eleganten | a |
Tätigkeiten zuwandten. | a |
Und natürlich kamen alle als Gratulanten | a |
zu dem kleinsten der Elefanten, | a |
den sie ihren furchtlosen Retter nannten. | a |
Sagt ihr, solche Sachen sind nur zum Lachen, | f |
es hört doch eh keiner auf die Schwachen? | f |
Vielleicht. / Aber einer muss doch den Anfang machen? | f |