Das Rationale des Irrationalen

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„Der Terror ist nicht Mittel zum Zweck.“, schreibt Doron Rabinovici (über den IS), und: „Der Terror ist der eigentliche Sinn und der eigentliche Unsinn, um den es geht.“
Ich bin nicht dieser Ansicht.
„Der Hass gilt dem Spiel. Wer im Café sitzt, hat sein Recht auf Leben verwirkt. Wer ein Rockkonzert besucht, soll ermordet werden. „
Das scheint irrational, geradezu verrückt. Aber das Vorgehen der Dschihadisten gegen Spiel, Musik, Trinken, Rauchen usw. ist nicht irrational, ob es durch Polizeigewalt in ihrem Herrschaftsgebiet geschieht oder durch Terroranschläge außerhalb. Überall gibt es irrationale Vorschriften, die einen rationalen Zweck erfüllen.
Beginnen wir mit etwas ganz einfachem: Warum muss ich – als Mann – eine Krawatte umbinden, wenn ich ins Büro gehe? Im Jogginganzug wäre ich vielleicht produktiver. Aber Sakko und Krawatte erinnern mich daran, dass jetzt nicht Freizeit ist, sondern Dienst, und dass ich mich den Erfordernissen der Firma unterzuordnen habe und nicht meinen eigenen Bedürfnissen.
Was soll der Gruß „Heil Hitler“, wenn ich zum Greißler einkaufen gehe? Hitler wird davon nicht gesünder, dass ihm alle mehrmals täglich Heil wünschen. Das „Heil Hitler“ bei der Milchfrau, in der Werkstatt, im Büro, im Amt sowieso, soll mich täglich und stündlich daran erinnern, wer im Land das Sagen hat. Und es ist ein guter Anlass zur gegenseitigen Überwachung: Wer mit „Guten Tag“ grüßt, riskiert, vom Nachbarn angezeigt zu werden.
Welchen Sinn haben die komplizierten jüdischen Speisegesetze? Ihr gesundheitlicher Wert ist gleich null und sie machen der frommen Hausfrau das Leben schwer. Warum in aller Welt darf ich Milchiges und Fleischiges nicht gemeinsam verzehren, warum muss ich sogar getrenntes Geschirr für Milchiges und Fleischiges haben? Ein Rabbi hat diese Erklärung für die Speisevorschriften gegeben: „Sie erinnern uns täglich und stündlich daran, dass wir Juden sind“. So einfach ist es. Sie dienen dem Zusammenhalt der Gruppe nach innen und der Abgrenzung nach außen. Man könnte die Vorschrift in ihr Gegenteil verkehren: „Du sollst nie Milchiges ohne Fleischiges essen“, und sie würde denselben Zweck erfüllen.
Es macht natürlich einen wesentlichen Unterschied, ob solche irrationalen Vorschriften von Mitgliedern einer Gruppe freiwillig eingehalten werden oder ob sie mit Zwang und Terror durchgesetzt werden. Doch sowohl das freiwillige Einhalten von unsinnigen Vorschriften wie das gewaltsame Durchsetzen erfüllt jeweils einen rationalen Zweck.
Ob die Anführer der Dschihadisten Spiel und Vergnügen, Kunst und Sport wirklich hassen, wissen wir nicht. Vielleicht saufen und rauchen sie im Geheimen, spielen Poker, hören HipHop und schauen Pornofilme und Skirennen, so wie Stalin sich die verbotenen Hollywoodfilme im eigenen Filmpalast angesehen hat, so wie Mao mit seinen Gespielinnen den verbotenen Foxtrott getanzt hat. Es ist aber gar nicht wichtig. Um ihrer gewählten Rolle als die frömmsten und reinsten „Muslime“ gerecht zu werden, müssen sie gegen alles „Weltliche“ vorgehen. Und ihre Definition von dem, was „rein“ und „fromm“ ist, muss so eng sein, ihre Definition von dem, was „weltlich“ ist, muss so weit sein, dass praktisch jede und jeder eine „Ungläubige“, ein „Ungläubiger“ sein kann. So wie die Nazis sich ihre Definitionsmacht, welches die „minderwertigen“ Völker sind, die versklavt oder ausgerottet gehören, von der „Rassenlehre“ geholt haben. Und um diese Definitionsmacht, die Macht zu entscheiden, wer „ungläubig“ ist und deshalb bestraft, versklavt oder getötet werden muss, um die geht es. Damit geben sie sich die moralische Rechtfertigung für ihren Eroberungskrieg, damit erzwingen sie in ihrem Herrschaftsbereich Gehorsam und Disziplin, ohne die man einen Eroberungskrieg nicht führen kann.

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