Der vollständige Artikel ist erschienen in ASSA – Austrian Studies in Social Anthropology
Abstract
In seinem Buch Geographie des Zorns (Fear of small numbers) geht Arjun Appadurai der Frage nach den Ursachen für Gewalt gegen Minderheiten in der Epoche der „Hochglobalisierung“ nach. Kurz gefasst ist seine Argumentation: Die Globalisierung bedroht die Nationalstaaten. Diese Bedrohung löse eine pathologische „Angst vor Unvollständigkeit“ aus. Um die Vollständigkeit oder Reinheit (im Sinn von Mary Douglas) wiederherzustellen, würden Minderheiten angegriffen mit dem Ziel, die Unreinheit auszulöschen.
Dieser Artikel unterzieht einige der von Appadurai angeführten Beispiele einer näheren Betrachtung. Dabei wird festgestellt, dass die „Bedrohung der Reinheit“ jeweils eine Fiktion ist, die ermöglicht größere Teile der Gesellschaft um eine Elite zu scharen. Die Interessen der Elite werden dabei als die Interessen der gesamten Nation, Rasse oder Religionsgemeinschaft dargestellt. Die Fiktion wird von den verschiedenen Akteuren und Akteurinnen umso bereitwilliger angenommen, als sie ihnen (zumindest scheinbar oder zeitweilig) ermöglicht, konkrete Interessen zu verfolgen.
Schlagworte: Genozid, Minderheiten, Unreinheit, Globalisierung, Nationalstaat
English abstract
In his book Fear of small numbers, Arjun Appadurai investigates the causes of violence against minorities in the era of „high globalization“. In short his argument is as follows: Globalization threatens the existence of the nation state. This threat provokes a pathological „anxiety of incompleteness“. To restore completeness or „purity“ (as used by Mary Douglas), minorities are attacked with the aim of obliterating the impurity.
This article takes a closer look at some of the examples cited by Appadurai. It is noted that the „threat to purity“ is in each a case a fiction that makes possible the gathering of large parts of the society around an elite. The interests of the elite are depicted as the interests of the whole nation, race or religious community. The fiction is accepted by different actors as it allows them (at least for a time, or seemingly) to pursue their own concrete and tangible interests.
Keywords: genocide, minorities, impurity, globalization, nation state