Wir dürfen uns nicht damit begnügen zu fragen, warum engstirnige, reaktionär denkende Menschen die Angst vor Flüchtlingen aus Afrika schüren. Wir müssen uns fragen, warum die Mächtigen der EU, die führenden Parteien und die wirtschaftlichen Eliten, diese Angstmache dulden und ihre Politik danach ausrichten – nach dem Motto: „Man muss die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen“. Es geht nicht darum, dass Europa ein paar Hunderttausend oder auch Millionen Flüchtlinge nicht verkraften würde. Es geht darum, dass Afrika als Lieferant billiger Rohstoffe und Abnehmer von billigem Schund – aber auch hochwertigen teuren Industriewaren – aus Europa erhalten bleibt. Es geht darum die Angst zu schüren, dass Afrika seinen Anteil am globalen Kuchen verlangen könnte. Es geht darum, dass wir uns nicht mit streikenden Minenarbeitern, mit gegen Landgrabbing kämpfenden Bäuerinnen solidarisieren – sondern Angst haben sollen vor ihnen. Es geht darum, dass wir die ungerechten Handelsbeziehungen zwischen Europa und Afrika akzeptieren sollen. Dass wir uns nicht fragen sollen, ob wir nicht gemeinsame Interessen mit den Afrikanerinnen und Afrikanern haben, vom globalen Klimaschutz angefangen bis zu ökologisch angebauter Nahrung, die weder Produzentinnen und Produzenten noch Konsumentinnen und Konsumenten vergiftet.. Dass wir uns nicht fragen sollen, ob unsere Sozialstandards gefährdet sind, weil Afrikanerinnen und Afrikaner hier eventuell Arbeit finden könnten, oder weil die Sozialstandards in Afrika und anderen Gegenden der Welt so niedrig sind.
Wir sollen lernen, dass Europa sich schützen muss, dass Europa eine militärische Macht werden muss. Wir sollen uns an den Gedanken gewöhnen, dass Europa seine Grenzen vielleicht auch außerhalb Europas „schützen“ muss. „Auffangplattformen“ an der afrikanischen Küste müssen dann doch auch militärisch gesichert werden. Die Demagogie gegen Flüchtlinge soll also auch helfen, Europa aufzurüsten.
Die Angst vor Flüchtlingen erfüllt aber auch innenpolitische Zwecke. In Österreich sind 11% der Menschen, die hier leben, arbeiten und Steuern zahlen, vom Wahlrecht ausgeschlossen. In anderen EU-Ländern wird es ähnlich sein. Und das soll so bleiben. Deshalb werden die Begriffe Flüchtling-Asylwerber-Asylberechtigte-Migranten-Menschen mit Migrationshintergrund miteinander vermengt. Ein Teil der Bevölkerung soll weniger Rechte haben, und wir sollen uns nicht fragen, ob uns das nicht alle in unseren demokratischen Rechten schwächt, ob das nicht alle in ihren gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen schwächt, ob das nicht für die meisten von uns ein Nachteil ist, nicht nur für die, die direkt diskriminiert werden.
Und das sollten wir den Menschen, die wir für eine menschliche Flüchtlingspolitik gewinnen wollen, vor Augen halten: Diese EU-Flüchtlingspolitik, diese Angstmache vor Asylwerbenden und Migranten ist nicht nur tödlich für die Flüchtenden, sie schadet dem größten Teil der Bevölkerung Europas. Wir müssen uns nicht vor Lohndumping und Sozialdumping fürchten, wenn wir Menschen, die in anderen Ländern um höhere Löhne und bessere Sozialleistungen kämpfen, unterstützen. Im Gegenteil, wenn wir sie nicht unterstützen, dann sind unsere Standards auch gefährdet. In Europa allein können wir den Klimawandel nicht bekämpfen. Aber damit Menschen sich für das Klima interessieren können, müssen erst einmal ihre Grundbedürfnisse befriedigt sein, ihre Bedürfnisse nach Nahrung, Kleidung, Unterkunft, Gesundheitsversorgung und Bildung. Dabei brauchen sie unsere Unterstützung so wie wir ihre Unterstützung brauchen. Es geht nicht nur um Humanität und Menschlichkeit, es geht nicht nur um den Schutz von Schutzlosen, es geht nicht nur um Hilfe von Wohlhabenden für Arme. Nein, es geht um Gegenseitigkeit, es geht um internationale, oder besser, um globale Solidarität!