Essen auf Tonga

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William Mariner war ein englischer Matrose, der im Jahr 1805 bei der Südseeinsel Tonga Schiffbruch erlitt und lange Zeit dort lebte. Er hat seine Geschichte einem Schriftsteller namens John Martin erzählt.

Mr. Mariner und seine Kameraden, ohne Kenntnis der Sprache des Landes und der Bräuche der Leute, waren oft sehr verzweifelt, weil sie nichts zu essen hatten: manchmal brachte man ihnen Essen, aber oft auch nicht; manchmal wurden sie von den Einwohnern eingeladen, ins Haus zu kommen und mit ihnen zu essen; aber oft schien man sie ziemlich zu vernachlässigen, und sie waren genötigt, sich das, was sie brauchten, heimlich zu verschaffen. Schließlich teilte Mr. Mariner dem König durch die Übersetzung Tui Tuis ihre Nöte mit. Der König war sehr überrascht über ihre offensichtliche Dummheit, und erkundigte sich, wie man sich denn in England Nahrung verschaffte. Und als er hörte, dass jedermann die nötigen Vorräte für sich und seine Familie selber durch Kauf erwarb, und dass seine Freunde allermeistens nur dann am Essen teilnahmen, wenn sie dazu aufgefordert wurden, und dass Fremde praktisch nie eingeladen wurden, da lachte er über die – wie er es bezeichnete – Schlechtigkeit und Selbstsucht der Weißen. Und er erzählte Mr. Mariner, dass die tonganische Sitte viel besser sei, und dass er, wenn er sich hungrig fühlte, nichts anderes zu tun brauchte, als in irgendein Haus, in dem gerade gegessen und getrunken wurde, hineinzugehen, sich hinzusetzen und mitzuessen.
Danach wurde unter den Einwohnern die Selbstsucht der Europäer, wie sie es nannten, geradezu sprichwörtlich: wenn irgendein Fremder in ihr Haus kam, um mitzuessen, dann sagten sie zum Spaß: Nein! Wir werden dich auf Papalangi-Art behandeln: Geh heim, und iss, was du hast, und wir werden essen, was wir haben.

Aus: Tonga Islands: William Mariner’s account : an account of the natives of the Tonga Islands in the South Pacific Ocean, with an original grammar and vocabulary of their language. Vava’u Press; 4th ed., 1981. ASIN B0006EB4WI

Creative Reading in Beirut

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Blumen und Stacheldraht

Vom 10. bis zum 18. November 2007 war ich auf Einladung des Goethe-Instituts in Beirut und habe an dem Projekt Creative Reading teilgenommen.

Unter anderem habe ich gemeinsam mit einer libanesischen Kollegin mit acht- bis neunjährigen Kindern einer öffentlichen Schule ein Buch über Gefühle gemacht und mit StudentInnen des Goethe-Instituts Beirut eine Internet-Schreibwerkstatt.

Einige Einblicke in diese Arbeit gibt es auf creative-reading.froozle.org.

Beirut 01

Buchladen

Beirut Downtown

Beirut 04

Beirut 03

Beirut 02

Beirut 05

Der Lichtschalter

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Der Lichtschalter wurde Mitte des 13. Jahrhunderts in Flandern erfunden und verbreitete sich von da aus bald über ganz Europa. Vor der Erfindung des Lichtschalters musste man die Glühlampe vorm Schlafengehen mittels eines Steins auswerfen, weswegen nur wohlhabende Leute sich solche leisten konnten. Die ärmere Bevölkerung musste mit Talglichtern und Kienspänen vorlieb nehmen.

Das Gedicht

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Es war einmal ein Kind, das schrieb, kaum dass es Lesen und Schreiben gelernt hatte, auf einen Zettel den Satz: Es gibt Blumen. Dann ging es zu seiner Mutter hin, gab ihr den Zettel und sagte: „Schau, ich hab ein Gedicht geschrieben!“
Die Mutter sah den Zettel gerührt an und sagte: „Oh, ein schönes Gedicht!“ und befestigte den Zettel mit Klebestreifen am Küchenschrank. Und als der Vater heimkam, zeigte sie ihm den Zettel und sagte: „Schau, unser Kind hat ein Gedicht geschrieben!“ Und der Vater besah den Zettel, lächelte und sagte: „Oh, ein schönes Gedicht!“ und strich seinem Kind gerührt über die Haare. Und wenn Besuch kam, wurde ihnen der Zettel gezeigt und alle lächelten gerührt und sagten: „Oh, ein schönes Gedicht!“ und strichen dem Kind über die Haare oder schenkten ihm eine Süßigkeit, die sie mitgebracht hatten.
Die Zeit verging und das Kind wurde größer. Es besuchte das Gymnasium und die Universität, studierte zunächst Medizin und dann Philologie und Theaterwissenschaften, brach schließlich alle Studien ab und ging als Entwicklungshelfer in das ärmste Land der Welt. Von dort schickte der junge Mann, der es nun war, Berichte und Erzählungen an die Zeitungen zu Hause, die auch gedruckt wurden. Der junge Mann bereiste viele Länder, sprach mit vielen Menschen, engagierte sich für gute und wichtige Anliegen, und schrieb Erzählungen, Romane und Gedichte, Theaterstücke und Filmdrehbücher, die in großer Zahl veröffentlicht, aufgeführt und verfilmt wurden und viele Menschen beeindruckten. Er wurde älter und er wurde alt. Schließlich schrieb er das Werk, von dem er dachte, dass es wohl sein letztes sein könnte. Er ließ es drucken und binden und kündigte an, bei einer öffentlichen Veranstaltung daraus vorlesen zu wollen. Viele kamen, um den Dichter zu sehen. Im letzten Moment musste noch, wegen der vielen Vorbestellungen, eine größere Halle angemietet werden. Der Dichter trat auf die Bühne, schon etwas langsam und tastend, aber immer noch aufrecht. Er hielt das Buch in der Hand. Es war ein dünner Band in einem schönen, schlichten Einband, und enthielt außer den notwendigen Seiten mit dem Impressum des Verlags und dem Titel und dem Namen des Autors nur ein einziges Blatt, auf dem stand: Es gibt Blumen. Der Dichter las es vor, und alle, die ihn gehört hatten, fühlten und wussten so klar und so tief wie ein Geheimnis, das sich ihnen eröffnet hatte:
Es gibt Blumen.

Lügen

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Wann hast du das letzte Mal gelogen? Und warum?

Welche Regel würdest du aufstellen:

  • Alle sollen immer die Wahrheit sagen.
  • Alle müssen immer die Wahrheit sagen, nur du nicht.
  • Ein jedes soll die Wahrheit sagen oder lügen, wie es ihm gerade gefällt.

Wie würde es zugehen in einem Land,wo die dritte Regel herrscht?

Im Land Schnopfingen wird jede Person schwer bestraft, die beim Lügen erwischt wird. Jeder Bürger und jede Bürgerin hat aber das Recht, sich beim Amt für Wahrheitsliebe einen Lügenberechtigungsschein ausstellen zu lassen. Das kostet nichts. Wer Inhaber eines Lügenberechtigungsscheins ist, darf lügen soviel er oder sie will, ohne dafür bestraft zu werden. Allerdings müssen Lügenberechtigte ein Abzeichen tragen, auf dem steht: Achtung, ich besitze einen Lügenberechtigungsschein, es kann sein, dass das, was ich sage, nicht wahr ist. Wer sein Lügenberechtigungsabzeichen nicht sichtbar trägt, wird noch schwerer bestraft, als wer beim Lügen erwischt wird. Glaubst du, viele Leute würden sich eine Lügenberechtigung ausstellen lassen? Was würdest du machen?