Als die Soldaten kamen

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Als die Soldaten kamen, versteckten wir uns in einer Höhle draußen in der Wüste. Wir hatten einen Sack aus Ziegenleder gefüllt mit Wasser, ein paar Laibe Brot und ein paar Feigen. Das war alles. Unsere zwei Ziegen hatten wir zurückgelassen. Ich war traurig, denn Großvater sagte, dass wir sie nicht wiedersehen würden. Die Soldaten würden sie töten und essen. Mutter weinte leise, aber sie ließ das Baby an ihrer Brust saugen, damit es nicht zu schreien anfing und unser Versteck verriet. Ich wusste, dass ich nicht weinen durfte, denn ich war ja schon ein großes Mädchen und Großvater sagte, dass ich alles verstehe wie eine Erwachsene. Ich durfte ganz leise mit Großvater sprechen. Nur gelegentlich hörte er ein Geräusch von draußen und dann musste ich still sein, damit er besser horchen konnte.
„Warum werden die Soldaten unsere Ziegen töten?“ fragte ich Großvater. „Mögen sie keine Milch?“
„Ach, die mögen schon Milch, aber Fleisch mögen sie lieber. Und vor allem wollen sie nicht, dass die Soldaten von König Babak die Ziegen essen.“
„Ist das nicht unser König, der König Babak?“
„So sagt man, ja.“
„Hätten wir da nicht die Ziegen mitnehmen sollen, um sie für die Soldaten von König Babak zu retten?“
„Die Ziegen hätten uns verraten. Und es ist gleich, ob die Soldaten von König Babak oder die Soldaten von König Ubuk sie essen.“
„Aber wenn König Ubuk den Krieg gewinnt, werden uns seine Soldaten dann nicht töten?“
„Nein. Wenn der Krieg vorbei ist, werden wir Tribut an König Ubuk zahlen müssen statt an König Babak. Das ist der ganze Unterschied.“
„Aber ist Babak nicht unser rechtmäßiger König und der Vater des Landes? Ist er nicht der Vater von uns allen?“
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Der Heilige

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Es ist nur gut, wenn man alles glaubt, was einem gesagt wird. Und wenn man etwas mit eigenen Augen sehen kann, soll man gar nicht erst nachprüfen, was dahintersteckt.
Die Leute auf Korsika erzählen sich gern die Geschichte vom gefallsüchtigen Madchen: Die hat drei Liebhaber gehabt, und jeder hätte sie gern geheiratet, aber sie hat sie zum Narren gehalten. Kommt eines abends der eine zu ihr, da erzählt sie ihm von einer schweren Buße, die ihr ihr Beichtvater aufgegeben hat. Sie sollte sich ein weißes Tuch umhängen und von Mitternacht bis drei Uhr früh in der Kirchenvorhalle stehen. Da hat ihr der Bursch gesagt, er macht’s für sie.
Kommt der zweite sie besuchen, erzählt sie ihm, ihr Beichtvater hat ihr befohlen, sie soll mit einer Kuhhaut übergezogen in der Nacht auf den Friedhof gehen, und bei einem frischen Grab auf und ab gehen. Da sagt der Bursch, er nimmt ihr die Buße ab und macht’s für sie.
Kommt der Dritte, erzählt sie ihm, sie müsste mit einer Kette rasselnd vom Friedhof zur Kirche gehen und dabei das Vaterunser rückwärts beten. Hat ihr’s der Bursch auch abgenommen.
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