Das I

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Wenn ich Nuria, die gerade sechs geworden ist, erzähle, was der Förster macht, dann ergänzt sie – nahezu automatisch – „… oder die Försterin“. Das ist Ergebnis einer Grundeinstellung, die sie von ihrer Mutter, ihren Kindergärtnerinnen, natürlich auch von ihrem Vater und wohl auch vom Kinderfernsehen KiKa vorgelebt bekommt. Für sie ist es eine selbstverständliche Grundannahme, dass ihr als Mädchen die ganze Welt offen steht. (Wie weit das in der realen Welt zutrifft, wird sie noch herausfinden müssen). Das Binnen-I hat zu dieser Sozialisation nichts beigetragen. Kann es gar nicht haben, weil es in der gesprochenen Sprache nicht vorkommt.

Das ist auch meine Hauptkritik an diesem Konstrukt. Es ist eine Ausgeburt aus Akademia, erdacht von Leuten, für die nur der schriftliche Ausdruck zählt. In der Hauptsache ist es ein Abzeichen, ein Code, an dem Gleichgesinnte einander erkennen, auch wenn es durch ministerielle Verordnung eine größere Verbreitung gefunden hat. (Noch stärker gilt diese Abzeichenfunktion für den Unterstrich: „Lehrer_innen“, den sogenannten gender gap, der auch alles, was zwischen Mann und Frau ist, einschließen soll. ) Solche Codes dienen aber nicht nur als Erkennungszeichen für die Gruppenzugehörigen, sondern auch der Ausgrenzung nicht Zugehöriger, genauso wie Juristendeutsch, Hackerslang, Parteichinesisch etc.

Vielleicht hat das Binnen-I als Provokation dazu beigetragen, dass sich mehr Menschen darüber Gedanken gemacht haben, wie man wirklich gendergerecht sprechen kann. Ich befürchte aber, dass die Diskussion über Sprachverhunzung oder nicht viel Energie von der Diskussion über Geschlechtergerechtigkeit in der realen Welt abzieht. Als Zugeständnis an die Frauen ist das Binnen-I jedenfalls billiger als gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Den ihm zugedachten Auftrag, über Gendergerechtigkeit in der Sprache Gendergerechtigkeit im Denken zu bewirken, kann das Binnen-I nicht erfüllen. Weil es eben nicht Bestandteil der Sprache, sondern höchsten der Schreibe sein kann.

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